Zusammenfassung
Gelebte Inklusion ist wichtig. Dazu gehört, Behinderung beim Namen zu nennen und sie nicht umständlich zu umschreiben. Schlimmstenfalls fühlen sich die Betroffenen nicht angesprochen oder wissen nicht, dass sie gemeint sind.
In den letzten Jahren bis Jahrzehnten kamen immer mehr Diskussionen auf, wie man bspw. behinderte Menschen bezeichnen darf oder nicht. Wir kennen das aus vielen Gebieten der Gesellschaft. Sei es bzgl. Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft oder sexueller Orientierung. Ich möchte mich in diesem Artikel aber ausschließlich auf die Bezeichnung für Menschen mit Behinderung und insbesondere auf Menschen mit Blindheit beziehen.
Ich selbst fand es vor knapp zwanzig Jahren witzig, meine Blindheit als „Meine Sehkraft konvergiert gegen Null!“ zu beschreiben. So geschah es einem E-Mail-Kontakt von mir, der mich nicht persönlich kannte. Durch die Vielzahl an unterschiedlichen Umschreibungen wissen leider viele Menschen nicht mehr, wie sie mich aufgrund meiner Behinderung bezeichnen sollen. So geht es insbesondere denen, die zum ersten Mal mit behinderten Menschen zu tun haben. Ihr oberstes Ziel ist dabei, mich auf keinen Fall zu verletzen. Doch die gängigen Umschreibungen sensibilisieren nicht. Sie schaffen vielmehr Hürden, die nicht da sein müssten.
Zugegebenermaßen gibt es Bezeichnungen, die einfach aus ihrer Historie heraus und von der vermittelten Einstellung verletzend sind. Wenn mich jemand als Krüppel bezeichnet, nehme ich das als Abwertung übel. Von dem an Hochschulen vermehrt eingesetzten „Gesundheitlich Beeinträchtigte“ andererseits fühle ich mich nicht angesprochen. Es soll dazu dienen, Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung unter einen Hut zu bringen. Ich habe eine Behinderung und bin nicht krank! Natürlich haben einige eine Augenkrankheit auf Grund derer sie blind sind oder schlecht sehen. Aber bei denen, die durch einen Unfall beide Augen verloren haben und außer kaputten Augen nichts haben, ist diese Bezeichnung sogar gänzlich falsch. Meiner Meinung nach sind Menschen nur mit einer Augenkrankheit nicht krank, sondern haben eine Behinderung.
Für mich ist nichts Schlimmes daran, wenn man meine Einschränkung beim Namen nennt. Ich bin einfach blind oder ich bin ein Blinder. Das diskriminiert nicht. Es stellt einfach einen Sachverhalt dar. Wer damit nicht umgehen kann, sollte sich damit auseinandersetzen, ob er seine Behinderung akzeptiert hat.
Es gibt Umschreibungen wie „Menschen mit Blindheit“ oder im allgemeinen „Menschen mit Behinderung“, die ich gerade im Allgemeinen verstehe. Denn von einem Behinderten zu sprechen, ist einfach negativ besetzt. Allerdings ist mir ein lingual nicht so bewanderter Mensch, der mich grundsätzlich ernst nimmt aber als Behinderter anspricht, lieber als jemand, der sich diplomatisch ausdrückt, mich gedanklich aber als behindert abstempelt. Das ist aus meiner Sicht das Entscheidende, dass das Denken sich wandelt. Mit welchen Bezeichnungen ist mir eigentlich egal.
Besonders schön ist es, wenn Begriffe ein falsches Bild von der Tatsache zeichnen. Es gibt eine ganz klare Begriffstrennung zwischen Blindheit und Sehbehinderung. – Menschen die weniger als 2% sehen gelten als gesetzlich blind. Sehbehinderte sind diejenigen, die mindestens zehn Prozent Restsehvermögen haben und teilweise noch etwas erkennen können. Bei Menschen, die als blind gelten, kann man davon ausgehen, dass sie nichts mehr wirklich erkennen können.
Ich wurde auch des Öfteren als „Mensch mit Sehbeeinträchtigung“ bezeichnet. Das ist nach meinem Verständnis jemand, der kurz- oder weitsichtig ist oder vielleicht kein 3D-Sehen hat. Aber mit Sicherheit ist das niemand, der blind ist. Ich bin einfach blind.
Es diskriminiert mich auch nicht, wenn man in einer Schlange beim Bäcker sagt „Der Mann mit dem Stock bitte!“. Ich bekomme es nicht zuverlässig mit, dass ich gemeint bin. Deshalb darf man mich auch so oder mit dem „blinden Herrn“ ansprechen. Dann weiß ich wenigstens, dass ich gemeint bin.
Auch wenn Euer Kind fragt „Ist der Mann blind?“, müsst Ihr ihm nicht den Mund verbieten. Antwortet ihm stattdessen am Besten sachlich. Andersherum wird es für die Kinder erst zu etwas, worüber man nicht sprechen darf. Ja, ich erlebe es durchaus, dass Mütter mit „Ppssst!“ reagieren oder anfangen zu tuscheln, wenn ihr Kind fragt, ob ich blind sei. Ich habe einmal das absolute Gegenteil erlebt, als ich im Wartezimmer bei einem Arzt saß. Dieses Kind fragte auch, ob ich und meine damalige Freundin blind seien. Seine Mutter antwortete daraufhin: „Frag sie!“
Es wird soviel von Inklussion geredet. Wir können sie aber vergessen, solange Behinderung ein Tabu-Thema bleibt und man nur verklausuliert darüber spricht.
Ebenfalls ein schöner Begriff ist von „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ oder „Menschen mit besonderen Fähigkeiten“ zu sprechen. Kein normaler Mensch weiß da noch, wovon geredet wird. Denkt mal an die sogenannten „kognitiv Eingeschränkten“. Im schlimmsten Fall wissen sie nicht einmal, dass man von ihnen spricht.
Behinderungen sind nichts was wir verstecken müssen. Wir müssen damit umgehen. Also, benennt die Dinge beim Namen und redet nicht um den heißen Brei herum. Werdet nicht abfällig in Eurer Sprache und fragt Euer Umfeld vielleicht weniger „Bist Du behindert oder was?“ Das wertet behinderte Menschen nämlich tatsächlich ab.
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