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Orientierung von Blinden Teil 2 – Die Hindernisse

Zusammenfassung

Zum Alltag Blinder gehören Hindernisse ganz unterschiedlicher Art und Beschaffenheit. In diesem Beitrag werden die unterschiedlichen Arten beleuchtet und wie man sie ggf. verringern kann.

Im ersten Teil zur Orientierung von Blinden bin ich darauf eingegangen, wie sich Blinde grundsätzlich orientieren und ihre Sinne einsetzen. Es gibt allerdings einige Faktoren, die das Ganze erschweren.

Bewegliche Hindernisse

Ganz oben auf der Liste stehen andere Menschen wie Ihr und wir. Viele Menschen haben keine Ahnung davon, womit sie es beispielsweise Blinden schwerer als nötig machen: Es ist wirklich nett, wenn Ihr mir helfen wollt in den Zug einzusteigen, die Straße zu überqueren oder einfach nur den Ausgang aus dem Labyrinth – z. B. Bahnhof – zu finden. Allerdings mache ich diese Dinge meist nicht das erste Mal und weiß, was ich tue. zum Anderen wisst Ihr in dem Moment nicht sicher, was ich vorhabe. Eine Frage wie „Kann ich Ihnen helfen?“ ist die deutlich bessere Variante, als uns einfach am Arm zu packen und mitzunehmen, weil wir ja bestimmt über die Straße oder in den Zug wollen. Ihr wisst nicht, ob wir das wollen.
Daneben gibt es noch viele andere Faktoren, die uns behindern können: Seid Ihr auch schon mal einem blinden Menschen begegnet und seid stehen geblieben, damit Ihr ihn nicht irritiert? Leider ist genau das eine schlechte Idee, weil er Euch dann erst recht nicht mehr hört. Geht einfach normal weiter und sagt möglichst noch etwas. So bekommt man Euch am ehesten mit und kann darauf reagieren. Genauso verhält es sich, wenn Ihr ein Gespräch beendet, wenn Ihr einem Blinden begegnet. Das Gespräch kann er hören und sich beispielsweise durch Eure Stimme an Euch vorbei orientieren, an Eurem Schweigen nicht. Und wenn man daraufhin mit Euch zusammenstößt, scheint man unbeholfen oder sogar orientierungslos zu sein. Dabei konnte man das bewegliche Hindernis nur nicht mehr wahrnehmen.
Ich wirke mitunter schreckhaft, wenn man mich anspricht. Das kommt daher, dass ich nicht langsam laufe und manchmal bei plötzlichen Geräuschen schnell reagieren muss. Auch wenn ich mal unerwartet einen Bordstein unter den Füßen spüre, kann ich nicht lange mit einer Reaktion warten.

Ganz besondere bewegliche Hindernisse: Fahrzeuge

Schwierig sind auch Hindernisse, die im Laufweg stehen. Ärgerlich sind unnötig falsch platzierte Dinge wie Autos auf dem Gehweg oder sinnlos abgestellte Fahrräder. Ach ja, die lieben E-Roller oder auch E-Scooter nicht zu vergessen. Die werden in manchen Städten nicht mal abgestellt, sondern eher abgelegt.
E-Fahrzeuge sind insgesamt sehr praktisch, weil man sie kaum hört. Das macht bei Straßenüberquereungen besonders viel Spaß. E-Fahrzeuge und Fahrräder sind allerdings nicht nur unangenehm und unpraktisch, sondern auch gefährlich. Gerade abgelegte Roller oder Fahrräder laden zum Fallen ein, wenn sie unsachgemäß im Weg liegen. Auch wenn sie in Bewegung sind, stellen sie eine richtige Gefahr dar. Beide sind kaum zu hören. Dadurch wurden schon einige Blinde – zum Teil auf dem Gehweg – gestreift oder sogar angefahren, weil sie nicht mit einem Fahrzeug gerechnet hatten.
Insgesamt sind leise Fahrzeuge ja wirklich ein Segen. Wenn man sie nicht sieht oder nicht schnell reagieren kann, sind sie schlimmstenfalls aber lebensgefährlich. Und wenn Ihr Euch jetzt fragt, ob Ihr uns vor solchen Gefahren bewahren könnt: Stellt Fahrräder und E-Scooter an dafür vorgesehenen oder sicheren Plätzen ab. Und wenn Ihr ein E-Auto besitzt, schaltet das künstliche Fahrgeräusch beim langsamen Fahren nicht ab. Es kann über meine körperliche Unversehrtheit entscheiden.

Unbewegliche Stolperfallen

Werbeschilder oder Gastronomietische sind weitere Hindernisse, die mir im Weg stehen können. Ich wünsche mir nicht, dass sie aus dem Straßenbild verschwinden. Auch ich freue mich darüber, bei schönem Wetter draußen zu sitzen. Trotzdem sind es eben doch potenzielle Hindernisse für mich. Denkt beim Aufstellen einfach darüber nach, wie sie am wenigsten im Weg stehen. Das fände ich toll.
Ganz andere Hindernisse sind die, die erst ab einer bestimmten Höhe anfangen. Die sind ganz besonders gefährlich, weil ich sie mit dem Stock nicht wahrnehme. Mit ihm erfasse ich nur Gegenstände bis maximal auf Bauchhöhe. Bekannte Übeltäter sind Ladeflächen oder Seitenspiegel von LKW, die sich in Kopfhöhe befinden. Auch Schilder, beispielsweise von Bushaltestellen, sind gern auf dieser Höhe angebracht. Wenn man Glück hat, kann man sie hören. Wenn nicht, gibt es schon mal Beulen, Platzwunden und manchmal sogar Gehirnerschütterungen.

Unbeeinflussbare Störfaktoren

Hindernisse können auch durch Einflüsse entstehen, die keiner ernsthaft kontrollieren kann, z. B. das Wetter. Regen ist da besonders schön, weil dadurch die Akustik ziemlich verschwimmt. Wenn dann noch Autos durch das Wasser auf der Straße fahren – was ziemlich rauscht -, ist es mit der akustischen Orientierung nicht mehr weit her. Da bleibt einem hauptsächlich noch die taktile Orientierung übrig. Ähnliche Effekte gibt es z. B. durch Baustellenlärm oder laute Musik.
Das gegenteilige Phänomen geht mit Schnee einher. Schnee kann die taktilen Merkmale am Boden verdecken, so zum Beispiel Bordsteinkanten. Dadurch ist man auf einmal vor allem auf die akustische Orientierung angewiesen. Auch größere Gegenstände wie Gebäude helfen hier weiter. Bei dichtem Nebel oder Rauch könnt Ihr Euch meine wetterbedingten Orientierungsprobleme ganz gut vorstellen.

Schlussgedanken

Natürlich kann man nicht alle Hindernisse aus dem Weg räumen. Aber es würde schon eine Menge helfen darüber nachzudenken, wie man die schlimmsten Hindernisse vermeiden oder einschränken kann. Bei vielen Dingen wünscht man sich auch gar nicht, sie zu vermeiden. Insgesamt soll dieser Artikel sensibilisieren und zeigen, wieviele Störfaktoren es für uns gibt.
Ich möchte gar nicht über alles nachdenken, was meinen Weg erschweren und sogar gefährlich werden könnte. Täte ich das, ginge ich wahrscheinlich nicht mehr vor die Tür. Das allerdings wäre die schlechteste Wahl. Dafür lebe ich zu gerne. Selbst ohne die Blindheit gibt es genug Risikofaktoren. Dennoch gehe ich das Risiko gerne ein, um so frei wie möglich leben zu können.
In diesem Sinne: Habt Spaß am Leben, traut Euch was und achtet aufeinander!

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Veröffentlicht in Unser Alltag ... und sonst so? Wissenswertes rund um Blindheit und Inklusion

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