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Wer bin ich? – „Welches Bällchen hätten Sie denn gerne?“

Last updated on 14. März 2023

Zusammenfassung

Meine Geschichte von meiner Erblindung, der Schule, dem Sport und allem Übrigen

Tja, wer bin ich? – Selbstfindung ist immer eine schwierige Sache. Wahrscheinlich können die von Euch, die mich kennen, viel mehr dazu sagen. Hier geht es erstmal um Grundlegendes, wovon ich am allermeisten wissen sollte.

Heute bin ich blind, was jedoch nicht immer so war. Die ersten drei Jahre meines Lebens erfreute ich mich einer ganz normalen Sicht auf die Dinge, bevor meine Augen ein einschneidendes Erlebnis hatten. Zu den Umständen möchte ich nichts weiter sagen. Die Folgen für mich sind wesentlich wichtiger. Ich verlor zum damaligen Zeitpunkt eines meiner Augen, während das andere erkrankte. Das führte unumgänglich zur vollständigen Blindheit. Bis dahin dauerte es jedoch noch über zehn Jahre, in denen die Sehkraft immer mehr nachließ.

Dieser Verlauf prägte mich. Ich erlebte meine Kindheit zwar mit Einschränkungen beim Sehen, jedoch nicht völlig blind. Ich lernte noch Farben, Formen und diverse andere Eindrücke kennen. Das erleichtert mir bis heute die Vorstellung von Räumen, Gegenständen oder auch nur der Farbe eines Kleidungsstückes.

Schule

Schulisch begann ich meine Laufbahn auf einer Sehbehindertenschule. Dadurch erlernte ich die ganz normale Schrift. Als klar war, dass ich in absehbarer Zeit auf eine Blindenschule gehen würde, erlernte ich die sogenannte Blinden-, Braille- oder auch Punktschrift genannt. So wird die Schrift der Blinden genannt.

Die ersten sechs Jahre konnte ich den Schulweg täglich von zuhause schaffen. Ab dem 7. Schuljahr musste ich jedoch ins Internat. Also ging ich mit knapp 13 von zuhause weg. Klingt für den einen oder anderen hart, war aber sehr gut. Es ist nämlich nicht ganz einfach, in einer liebevollen, umsorgenden Familie als behinderter Mensch selbstständig zu werden.

Wenn Ihr diesen Artikel als Eltern eines blinden Kindes lest, dann macht Euch klar: Euer Kind muss auch ohne Euch leben können! Bei aller Fürsorge und Sorge um das eigene Kind, können blinde Menschen heute fast alles genauso erleben wie sehende Menschen. Dafür müsst Ihr Eure Kinder aber loslassen, damit sie diese Chance haben.

Nach meinem Abitur … Ja, auch Blinde können ein Abitur machen. Mit der Reife ist es nach dem Abitur bei jungen blinden Menschen genauso weit her, wie bei Sehenden … also eher eingeschränkt. … Also, nach dem Abitur versuchte ich mich genauso erfolgreich und strukturiert an der Uni. Das unterschied mich nicht von vielen meiner Kommilitonen die sahen. Wenn man allerdings das Sehen kompensieren muss, wird das Ganze nicht gerade leichter. – Mittlerweile bin ich glücklich darüber, meine Ausbildung in einer auf Blinde und Sehbehinderte spezialisierten Einrichtung absolviert zu haben. Die Prüfung ist inhaltlich die gleiche wie bei Sehenden. – Mittlerweile habe ich meinen Weg ins Arbeitsleben gefunden.

Besonders wichtig für mich!

Zum einen ist das der Umgang meiner Familie mit meiner Blindheit. Einerseits, dass meine Eltern mich aufs Internat gehen ließen. So ermöglichten sie mir, von zuhause wegzugehen. Zum Anderen die Einstellung meiner Schwestern und ihrer Familien. Sie haben mir beigebracht, erstmal alles machen zu können und für möglich zu halten. Warum sollte ein Blinder nicht Schlittschuhlaufen, im Baggersee schwimmen oder auf Konzerte gehen? Als kleinen Bruder nahmen sie mich einfach mit.

Außerdem ist da meine Schullaufbahn an sich. Für mich war es wichtig, auf eine Sehbehinderten- bzw. eine Blindenschule zu gehen. Warum? – Ich bin ein zurückhaltender und unsicherer Typ. Ich brauchte die Möglichkeit einer „Förderschule“. Hier konnte ich erleben, was ich kann. Ich wäre auf einer Regelschule – für nichtbehinderte Menschen – gnadenlos untergegangen. An den Rückmeldungen, was ich alles im Vergleich zu den anderen Mitschülern nicht kann, wäre ich wahrscheinlich zerbrochen. Wahrscheinlich würde ich mir heute nicht soviel zutrauen. – In Zeiten von Inklussion wird oft davon geredet, Förderschulen abzuschaffen. Für mich wäre das fatal gewesen. Denn nicht jeder behinderte Mensch ist dazu in der Lage, den Weg an einer Regelschule zu gehen. Es ist auch gut zu merken: „Ich bin mit dem Problem nicht alleine!“ Und: „Ich kann mich in Gruppen bewegen, in denen ich meine Fähigkeiten überhaupt entdecken kann.“

Ein ganz wichtiges Element in meinem Leben ist der Sport, und zwar Wettkampfsport. Ich habe seit meinem 13. Lebensjahr immer Sport getrieben, und lange im Mannschaftssport. Das geht nur, wenn man gleiche Voraussetzungen hat. Daher rede ich vom Blindensport.
Ich spielte Torball, Blindenfußball und zuletzt Showdown (Blindentischtennis). Genauere Artikel zu den Sportarten gibt es zu einem späteren Zeitpunkt von mir. Ich lernte dadurch Gemeinschaft. Jeder brachte die Fähigkeiten ein, die er hatte, um am Ende das beste Ergebnis zu erzielen. Für mich ist das ein unbeschreibbares Gefühl. Man leidet zusammen bei Niederlagen und jubelt gemeinsam bei wichtigen Siegen. Es ist einfach wundervoll, wenn Dir jemand Deinen Arsch rettet, wenn Du einen Fehler gemacht hast. Für mich ist es aber noch schöner, wenn man für jemand anderen die Kastanien aus dem Feuer holen kann. Das gibt Dir so richtig das Gefühl, wichtig zu sein. Am Ende steht der gemeinsame Erfolg.

Gerade die Erfahrungen aus dem Sport haben mich zu meiner Lebenseinstellung gebracht. Ich als Einzelner bin gar nicht so wichtig. Allerdings kann ich dazu beitragen, was für viele Menschen in meinem Umfeld besser ist: nämlich wenn wir aufeinander achten und auch die nicht gesendeten Signale wahrnehmen und verstehen lernen.

Wann ist Blindheit schlimmer?

Vielleicht fragt Ihr Euch, wann Blindheit schlimmer ist. Wenn man gesehen hat oder wenn man blind auf die Welt gekommen ist.
Natürlich kann ich die Frage nur für mich beantworten. Es mag frustrierend sein, etwas zu verlieren. Jedoch sehe ich unter den Blinden tatsächlich eher die Vorteile: Wenn man mal gesehen hat, kann man sich Farben und Formen vorstellen. Ich brauche meine Unterschrift nicht zu lernen, weil ich schreiben gelernt habe. Klar, während meiner langsamen Erblindung hat es mein Körper auch zwischendurch bezahlt. „Das Schild hab ich doch gestern noch gesehen!“ Schade, heute nicht mehr. Heute musste ich es spühren. Das sind die ganz speziellen Schwierigkeiten, die man während einer Erblindung hat. man kann überhaupt nicht einschätzen, was man noch sieht und was nicht. Mit etwas Humor übersteht man diese Phase allerdings.

Schließlich und endlich

Zu guter Letzt sind es noch die Zahlen, die mich mein Leben lang begleiten und faszinieren. Sei es bei Statistiken:
Zitat beim Torballturnier nach 14:0 Punkten nach 7 von 9 spielen: „Theoretisch können wir schlechtestenfalls noch Fünfter werden.“ Tja, das ist so wie nach heutigem Stand Schalke nach 23 Spielen in der Bundesliga theoretisch noch Meister werden kann. Denn sie haben nur 30 Punkte Rückstand auf den Ersten und können in elf Spielen ja noch 33 Punkte holen. Das kann noch reichen.

Auch nicht zu vergessen, mein Facebook-Eintrag zum 16. Februar: „Heute ist der 47. Tag des Jahres. 47 ist eine Primzahl, genau wie ihre Quersumme 11 und deren Quersumme 2.“ Das mag zwar keinen interessieren, aber spannend finde ich es trotzdem.

In diesem Sinne: Wenn Ihr noch etwas habt, was Ihr über mich wollt, nutzt gern die Kommentarfunktion.

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