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Der Ringkauf – Eine runde Sache

Zusammenfassung

Die Auswahl schöner Eheringe ist für die meisten Paare essentiell. Was aber, wenn beide blind sind und die Juweliermitarbeiter unerfahren?

Wahrscheinlich stellt sich für jedes hochzeitswillige Paar die Frage nach den Ringen. Wollen wir welche? Wie sollen sie aussehen? Was dürfen sie kosten?

Einen ersten Überblick verschaffen sich viele mittlerweile über das Internet. Da kann man schon mal gucken, was man denn hübsch findet. Tja, leider verloren. Natürlich können wir uns über Materialien, Beschaffenheiten und Preise informieren. Aber Bilder helfen uns nicht weiter. Also war die Entscheidung klar. Wir gehen zum Juwelier und sehen uns konkrete Ringe an.

Vorbereitung ist alles

Wir machten uns also auf in die Stadt. Vorher hatten wir im Internet nach Juwelieren gesucht. Wir suchten uns die Adresse von einem heraus, dessen Namen wir schon mal gehört hatten. Andere Paare würden vermutlich in die Stadt gehen und sich vor Ort umgucken. Für uns funktioniert das nicht gut. Wir können natürlich in der Fußgängerzone Leute ansprechen und sie nach einem Juwelier fragen. In den meisten Fällen wird uns das nicht weiterhelfen, da es die Wenigsten selbst wissen werden. Und selbst wenn werden viele Schwierigkeiten haben, blinden Menschen einen Weg zu beschreiben.

Trotz Vorbereitung müssen wir vor Ort natürlich trotzdem fragen. Der Eingang schreit nämlich nicht „Hier geht’s zum Juwelier!“. Und so oft kaufen wir dann auch keine Ringe, dass wir den Eingang genau kennen würden.

Die äußeren Umstände

Beim Betreten des Ladens nahm man uns freundlich, aber etwas zurückhaltend in Empfang. Wir hatten uns nicht juweliertauglich bzw. hochzeitsentsprechend in Schale geworfen. Vielmehr waren wir in unserer Alltagskleidung unterwegs. Auch wenn wir bestimmt nicht die ersten blinden Kunden waren, schien auch dieser Faktor zunächst für Unsicherheit zu sorgen. Wir brachten also unser Anliegen vor und wurden von einer netten Dame zu einem Tisch gelotst. Dort kümmerte sich eine Verkäuferin um uns.

Sie stellte sich nach und nach immer besser auf unsere Blindheit ein und ließ uns verschiedene Ringe auch anfassen. Viele Ringe waren als Modell vorhanden. Bei manchen musste sie auf etwas Vergleichbares zurückgreifen.

Inneres und Äußeres müssen zusammenpassen

Ich weiß nicht, wer sich mit Schmuck auskennt. Ich gehöre nicht dazu. Meine Frau weiß hier ein wenig mehr als ich, ist aber auch keine Expertin. Es gibt verschiedene Materialien wie Gold, Silber, Platin oder Titan. Darüber hinaus gibt es bei Gold verschiedene Legierungen, die mit unterschiedlichen Zahlen eingeordnet werden. Beispielsweise steht 575 für den Anteil des Goldes auf 1000 Teile gerechnet. Der Rest besteht aus anderen Metallen, die beigemischt werden.

Für uns war schnell klar: wir wollen Gold für unseren Ring. Unsere Ehe sollte mit etwas Goldenem verbunden werden. – Man könnte meinen, für ein blindes Hochzeitspaar ist das Aussehen des Ringes unwesentlich. Das ist jedoch keineswegs so. In diesem Fall kommt zum goldenen Ring noch die wertvolle Bedeutung des Goldenen hinzu.
Weiterhin sollten wir uns entscheiden, ob wir mattes oder glänzendes Gold nehmen wollten. Gut, dass wir beide mal gesehen haben. So konnten wir uns in etwa vorstellen, worin der Unterschied besteht.

Für uns wurde interessant, für welches Gold wir uns entscheiden sollten. Außerdem war auch die Bearbeitung wichtig. Eine ganze Weile lang versuchte die Verkäuferin, uns Ringe in der geringeren und damit günstigeren Legierung schmackhaft zu machen. – Wir vermuten, dass das mit unserer Alltagskleidung zu tun hatte. – Unseren Wunschring gab es in zwei Legierungen. Wir setzten uns letztlich durch und nahmen das schwerere und damit teurere Gold. Das machte für uns tatsächlich einen haptischen Unterschied. Hier lösten wir uns einmal komplett von der Sehendensicht: Wir wollten den schwereren Ring. Er symbolisiert durch seine gefühlt stabilere Ausführung des Goldes einen ganz anderen Wert für unsere Ehe. Ja, und man hatte das Gefühl, etwas in der Hand zu haben.

Raue Schale, besonderer Kern

Die Verkäuferin hatte eine Idee für die Oberflächengestaltung, die uns sofort überzeugte: Wir konnten zwischen einer glatten und einer unebenen, gehämmerten Oberfläche wählen. Dabei entsteht eine durch Hammerschläge in sich unregelmäßige Haptik. Dadurch werden die Ringe für uns interessanter zum Anfassen. Außerdem empfanden wir das Ganze als schönes Sinnbild für die Ehe. – Während einer Ehe arbeitet man sich gegenseitig aneinander ab und zwischendurch ist es etwas kantig. Dadurch wurden die Ringe für uns zu etwas Besonderem gemacht. So werden wir an etwas ganz Besonderes erinnert, wenn wir unseren Ring anfassen.

Zuletzt ging es noch um die Gravur. Auch die können wir zwar nicht sehen, jedoch ansatzweise fühlen. Nicht was, aber das fällt scheinbar auch vielen Sehenden zu lesen schwer. Wichtig ist zu wissen, was drin steht. Und was steht drin? Hier möchte ich auf den Artikel
Wie alles Begann verweisen, in dem ich unseren ersten Chat ansprach. Auf meine erste Nachricht Ach Mädchen, was machst Du denn immer? bekam ich die Antwort Geborener Pechvogel mit Aszendent Stehaufmännchen. Das steht auf Nathalies Ring. Bei mir steht angelehnt an diese Aussage „Stehaufmännchen mit Aszendent Sonntagskind“. Das rührt daher, dass ich tatsächlich oft ein Stehaufmännchen war, weil ich etwas unfallträchtig war. Außerdem bin ich wirklich an einem Sonntag geboren.

Zum guten Schluss

Am Ende stellte sich übrigens heraus, dass wir beide die gleiche Ringgröße haben. Das und unser beider Entscheidung für die gehämmerte Oberfläche ist etwas Verbindendes, an das wir uns immer erinnern können.

Uns wurmten beide die mehrfachen Versuche der Verkäuferin, uns die günstigeren Ringe zu verkaufen. Das gab uns sehr deutlich das Gefühl, dass man uns die Bezahlung teurer Ringe nicht zutraute. Ob das nun durch unsere Alltagskleidung kam oder durch die Tatsache unserer Blindheit, ist natürlich völlig unklar. Außerdem erschien es uns so, als nähme die Angestellte die Besonderheit der bevorstehenden Hochzeit nicht ernst. Dadurch konnte es sich meine Frau beim Bezahlen nicht verkneifen mich zu fragen: „Von welchem Konto wollen wir denn bezahlen?“

Insgesamt war es eine gute Beratung, gerade weil sich die Verkäuferin gut auf die Situation einstellte. Bei uns konnte sie nicht einfach mit Bildern arbeiten. Viel wichtiger war uns die Haptik des Ringes. Dass sie uns offenbar den Kauf des teureren Ringes nicht zutraute, bleibt für uns am Ende eine amüsannte Randnotiz.

Das Wichtigste ist, dass wir auch nach einem Jahr mit unserem Ring zufrieden sind. Noch wichtiger: Auch mit dem Menschen, mit dem wir den Ring getauscht haben. (Die raue Oberfläche gefällt mir immer noch. Und ich finde diesen schweren, rauen Ring den besten, den ich mir träumen kann.)

Wenn Euch an diesem Thema noch etwas interessiert, nutzt gerne den Kommentarbereich.

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Veröffentlicht in Unser Projekt: Hochzeit

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