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Blindfuß oder blindes Verständnis? – Wie treiben wirklich Blinde Sport?

Zusammenfassung

Wie Blinde Sport treiben und welche Sportarten möglich sind.

Viele kennen das von ihrer Lieblingssportmannschaft, z. B. bei einem Stürmer im Fußball. Er wird leicht als Blindfuß bezeichnet, wenn er fünf Spiele lang nicht getroffen hat. Andererseits schwärmt man von einem blinden Verstehen, wenn ein Team ohne große Absprachen kombiniert ohne vermeintlich hinzusehen. Doch wie treibe ich Sport, wenn ich tatsächlich nichts sehen kann?

Was ist grundsätzlich möglich?

Grundsätzlich kann ein Blinder die gleichen körperlichen Bewegungsabläufe, Belastungen sowie Leistungen erbringen wie ein Sehender. Das Problem ist nur: Wo und wann? Ich kann genauso laufen, treten oder schlagen wie ein sehender Sportler. Das Problem besteht vielmehr in der Information, wo ich hinlaufen muss. Wann muss ich mit dem Tennisschläger wohin schlagen, dass ich den Ball treffe? Das hängt oft mit einer Hand-Auge-Koordination zusammen.

Wegen dieser Schwierigkeiten ist es für einen blinden Menschen nicht so leicht, einfach mal Sport zu machen. Ich kann nicht spontan losgehen, um ein bisschen zu joggen. Na klar, ich kann rausgehen und einfach loslaufen. Motorisch bekomme ich das durchaus hin und kann dabei auch ein ordentliches Tempo anschlagen. Dabei besteht aber die Gefahr, dass ich an einer Mauer, einem Laternenpfahl oder Gartenzaun zerschelle. Durch Unebenheiten, Bordsteinkanten oder Wegränder umzuknicken birgt ebenfalls eine deutliche Gefahr, wenn sie nicht im Vorhinein einschätzen kann.

Das gleiche Problem besteht z. B. beim Fahrrad fahren. Technisch kann ich sehr wohl Fahrrad fahren. Allerdings stellt sich die Frage, wann und wo ohne mich und andere in Gefahr zu bringen. Denn nicht nur ich kann dabei verletzt werden. Auch kann ich einen Autounfall verursachen bzw. Passanten, Kinder oder Tiere umfahren. Die Gefahr besteht beim Joggen genauso, nur mit geringerer Geschwindigkeit. Ähnliche Herausforderungen gibt es bei vielen sportlichen Aktivitäten. Ich kann einen Ball schießen, werfen oder schlagen. Aber meist stellt sich die Frage, wo der Ball ist. Wann muss ich ihn wie treffen und wo muss er hin?

Adaptierte und spezifische Sportarten

Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Joggen oder sprinten kann ich auch blind, in diesen Fällen mit Begleitläufern. Fahrrad fahren kann ich mittels Tandem und schwimmen mit fühlbarer Bahnbegrenzung. Es ist also viel möglich. Wie man beim Laufen und Fahrrad fahren aber merkt, braucht es immer jemand anderen dazu. Das heißt, ich kann nicht einfach bei Bedarf rausgehen und loslaufen oder radeln. Ich bin immer auf einen Mitläufer oder -radler angewiesen.

Bisher habe ich in meinem Leben immer Ballsportarten betrieben, bei denen man sich mit anderen Blinden gemessen hat. Das ist für mich besonders schön gewesen, weil man dabei einen wirklichen Vergleich hatte. Meistens waren es Teamsportarten, wodurch man gleichzeitig das Gemeinschaftsgefühl hatte. Beim Blindenfußball sind sogar Blinde und Sehende zusammen in einem Team und somit aufeinander angewiesen. Kurz gesagt ist es ein inklussiver Sport.

Neben angepassten Sportarten wie Blindenfußball oder Blindentischtennis (auch Showdown oder Tischball) gibt es einige, die speziell für Blinde entwickelt wurden. Ein Beispiel hierfür ist Torball, was ich über 16 Jahre ausgeübt habe. Daneben gibt es auch Blindentennis, Hugby (abgewandelt von Rugby) oder Blinden-Baseball. Für andere Sportarten sind nur Hilfsmittel oder Vorrichtungen bzw. Begleitung erforderlich. So können sie von Blinden genauso ausgeübt werden wie von Sehenden. Leichtathletik (Laufen, Springen, Werfen), Radfahren oder Schwimmen sind sehr verbreitete Sportarten bei Blinden. Darüber hinaus gibt es auch blinde Skifahrer, Biathleten, Reiter und vieles mehr. Eishockey oder Autorennen sind mir hingegen bislang nicht geläufig. Aber nichts ist unmöglich. Und nur weil ich es nicht kenne, kann es das trotzdem geben.

Hilfsmittel und andere Unterstützung

Bälle im Blindensport klingeln oder rasseln in der Regel, damit man sie hören kann. Bei Fortbewegungssportarten wie Laufen agiert man genauso als Team wie beim Tandemfahren. Beim Schwimmen oder Springen gibt es Markierungen und/oder Anweisungen der Trainer. Beim Sportschießen wiederum wird mit Tönen gearbeitet. Je höher der Ton ist, desto mittiger zielt man. – Beim Darts könnte sich jemand vor die Zielscheibe stellen und rufen … OK, der Verschleiß wäre etwas groß.

Fazit

Ihr seht, es geht wirklich viel. Manchmal braucht es nur die richtige Idee, um eine vermeintlich unmögliche Sache in die Tat umzusetzen.
Wie einige dieser Sportarten im Detail funktionieren, erzähle ich Euch in entsprechenden Artikeln. Insbesondere werde ich auch beschreiben, was ich insbesondere mit Torball, Blindenfußball und Showdown verbinde.

Wenn Ihr zu den Ausführungen in diesem Artikel Fragen oder Anmerkungen habt, gibt es nicht umsonst die Kommentarfunktion.

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Veröffentlicht in Wissenswertes rund um Blindheit und Inklusion

Ein Kommentar

  1. Tobias Fechner Tobias Fechner

    Hallo Tommy!

    Wenn ich auch nicht gerade der Sportlichsten einer bin, so habe ich doch schon das eine oder andere ausprobiert. Dazu zählte beispielsweise das Fahrradfahren, sowohl Tandem als auch auf einem gewöhnlichen Einzelfahrrad, vorzugsweise Damenräder, weil die lästige Stange nicht im Weg war. Ich hatte zum einen das Glück, auf einem Firmengelände zu wohnen, wo von unserem Haus ein Feldweg geradeaus führte. Hier konnte man schön laufen lassen. Fuhr man zu weit nach links, kam irgendwann ein Abhang, der fünf Meter steil nach unten führte. Wenn man das aber wusste, war das auch kein Problem. 😉 Zum anderen hatte ich das Glück, eine sehende Schwester zu haben, die sich ihrerseits auf ihr Fahrrad schwang und vor mir her radelte. Leider wurde es ihr irgendwann zu langweilig, ständig diesen Feldweg hin- und zurück zu fahren. Ebenso verdrießlich war es für sie, dabei ständig singen oder klingeln zu müssen, damit ich sie nicht aus den Ohren verlor. Als wir also nach einer unserer unzähligen Touren wieder zu Hause ankamen, lief sie völlig frustriert in die Wohnung, rief so etwas wie „mir reicht’s“, und ich dachte schon, dass die Zeit unserer Fahrrad-Touren nun ein jähes Ende gefunden hätte. Da stand ich also mit meinem BMX-Rad im Alter von zwölf Jahren vor unserem Haus und wartete auf besseres Wetter. 😉 Plötzlich kam sie wieder aus dem Haus, einen Batteriebetriebenen Kassettenrekorder mit sich führend, den sie in einer abenteuerlichen Konstruktion auf dem Gepäckträger befestigte. Jetzt noch eine Kinderdisko eingelegt und ab auf die Piste. Die Beschäftigten der Firma staunten nicht schlecht, als wir fortan nicht nur den Feldweg hin- und herfuhren, sondern nun auch den angrenzenden Berg runter und wieder rauf gondelten und den LKW-Parkplatz in Beschlag nahmen, auf dem ich ein Gespür für Kurven bekam, nachdem ich ja bisher immer nur geradeaus gefahren war. 😉

    Auch Rollschuhlaufen und Inline-skaten zählten zu meinen sportlichen Tätigkeiten, die ich am liebsten in der hauseigenen Tischtennishalle betrieben hatte, immer schön an der Wand entlang und um die Tischtennisplatten herum. 😉

    Torball hab ich zu Schulzeiten gespielt und vor ein paar Jahren auch wieder angefangen, was allerdings nicht lange angehalten hat.

    Autorennen fände ich interessant, wenn das nicht mit erheblichem Verschleiß sowie mit einer Gefahr für Leib und Leben verbunden wäre. Da verfolge ich dann doch lieber die Formel eins oder Formel E vor dem heimischen Fernseher. Denke aber gerne an Schulzeiten zurück, in denen wir mit fünf Blinden auf einer Kirmes den Autoscooter unsicher machten. 😉

    Vielen Dank für den tollen Beitrag und weiter so!!!

    LG Tobi

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